Berichte und Kommentare nach dem Treffen der Staats- und Regierungschefs der 29 Nato-Staaten in Brüssel am 11. und 12. Juli 2018 konzentrierten sich auf das Verhalten des US-Präsidenten Donald Trump und insbesondere auf seine Äußerungen zu Deutschland. Das Verhalten des US-Präsidenten wurde kritisiert und als widersprüchlich charakterisiert.

Man kann Trumps Verhalten aber nur verstehen, wenn man folgendes berücksichtigt:
1. Die deutsche Regierung und insbesondere die deutsche Kanzlerin haben auch schon vor der Wahl von Trump zum Präsidenten der USA zu erkennen gegeben, dass Trump wie ein politisch Aussätziger behandelt wird. Nach der Wahl hat der Vorgänger von Trump, Obama, die Kanzlerin besucht und ihr den Stab der US-amerikanischen, parteiübergreifenden Kriegsfraktion übergeben. Ihr Auftrag war, deren Politik fortzusetzen, notfalls auch gegen Trump.
2. Trump wusste dies von Beginn an. Er hat deshalb von Beginn an Zeichen gesetzt, dass er Deutschlands Rolle in Europa schwächen und das deutsche Lieblingsprojekt, den Ausbau der Europäischen Union, stören will. Hinweise dafür waren sein Besuch in Frankreich und die gemeinsame „Feier“ mit dem französischen Präsidenten Macron zum Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg am französischen Nationalfeiertag 2017 sowie seine Teilnahme am 2. Kongress der „Drei-Meere-Initiative“ der mittel- und osteuropäischen Staaten Anfang Juli 2017. Die „Drei-Meere-Initiative“ knüpft an das polnische Großmacht-Konzept des „Intermariums“ an, das sich in der Zeit zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg sowohl gegen Russland als auch gegen Deutschland richtete. Weitere Zeichen folgten.
3. Für Trump bedeutet die Parole „America first“, den drohenden wirtschaftlichen, sozialen und politischen Zusammenbruch der USA mit allen Mitteln zu verhindern, für die US-amerikanischen Wirtschaft deshalb überall auf der Welt neue Absatzmärkte zu erschließen und Wettbewerber, auch europäische Wettbewerber, zu schwächen. Trump will US-Handel treiben, keine Kriege führen. Ihm ist es aber durchaus recht, wenn andere Staaten, zum Beispiel Deutschland, durch lautes Säbelrasseln ihre Handelschancen verschlechtern. Handel mit Staaten wie Russland oder China zum US-amerikanischen Vorteil und auf Kosten Europas und Deutschlands sind Trump sehr wahrscheinlich nicht Unrecht. Und wenn die säbelrasselnden Staaten bei ihrer militärischen Aufrüstung auch noch US-Rüstungsgüter kaufen, soll es auch recht sein.
Bedenkt man diese 3 Punkte, dann sind die Ergebnisse des Nato-Gipfels und des Besuches in Großbritannien durchaus ganz im Sinne des US-Präsidenten.

Auch die Ergebnisse des Nato-Gipfels passen durchaus zum Konzept des US-Präsidenten. Einerseits wurde das offizielle und zuvor von Beamten ausgearbeitete Schlussdokument ohne große Debatten akzeptiert. Es ist nichts anderes als die Fortsetzung und Steigerung des Nato-Säbelrasselns gegenüber Russland, ganz im Sinne der Kriegsfraktion.
In dem 23 Seiten und 77 Punkte umfassenden Dokument befassen sich die ersten 10 Punkte fast ausnahmslos mit Russland und zeichnen ein sehr finsteres Feindbild der russischen Politik. Die Erklärung ist ein Dokument der weiteren Nato-Aufrüstung. Schon mit Punkt 3 der Erklärung bekräftigen die Staats- und Regierungschefs ihre Verpflichtung aus dem Jahre 2014, ihre Rüstungsausgaben auf 2% des Bruttoinlandsproduktes zu erhöhen, und erklären zugleich, dass auf dem Weg dorthin beachtliche Fortschritte erzielt worden seien. Alle Nato-Staaten zusammen geben schon heute fast 1 Billionen US-Dollar für Rüstung aus, das ist 15 mal mehr als Russland.
Hinzu kommt der Beschluss über die Einrichtung von zwei neuen Nato-Hauptquartieren, eines davon im deutschen Ulm. Das Hauptquartier in Ulm soll für die schnelleren Transporte von Nato-Truppen in Richtung russischer Grenze zuständig sein, das andere neue Hauptquartier in Norfolk in den USA soll ein Cyber-Operations-Zentrum werden.
Das Balkan-Land Mazedonien soll so schnell wie möglich in die Nato aufgenommen werden. Die Präsidenten der Ukraine und von Georgien waren speziell geladene Gäste, und nicht nur diese beiden Länder, sondern auch Armenien, Moldawien und Aserbaidschan wurden als künftige Länder mit engerer Nato-Bindung ins Auge gefasst.
Am letzten Tag des Nato-Treffens hat der US-Präsident all dies betont gepriesen.
Andererseits hat er mit seiner vorangehenden Kritik an Deutschland, vor allem am deutschen Projekt Nord Stream 2 (ein russisches „Gefängnis“) und an den Rüstungsausgaben Deutschlands (Milliarden für russisches Gas statt für US-amerikanische Rüstungsgüter) für einen Eklat gesorgt, der ihm weiterhin „freie Hand“ im Umgang mit der Nato … und vor allem im Umgang mit Deutschland lässt. Deutschland soll in der Falle sitzen: Rüstet es nicht weiter auf, kann es als Saboteur der Nato-Anstrengungen hingestellt werden, rüstet es aber noch mehr auf als bislang schon, wird die Mauer, die Russland und Deutschland trennt, noch höher. Hält es an Nord Stream 2 fest, kann es als von Russland abhängig hingestellt werden, bricht es das Projekt ab, begibt es sich in Abhängigkeit von US-amerikanisch kontrollierten Energielieferungen.* Die Meinung des Autors muss nicht der der Redaktion entsprechen.
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