Stunden zuvor hatte die Redaktion sich schon an dieser Nachricht abgearbeitet und über jene „klaren Worte“ der Kanzlerin berichtet, die Frau Merkel bei ihrem China-Besuch für die Hongkonger Aktivisten gefunden hatte. Ja, wenn die „Leitfrau“ und das öffentlich-rechtliche Leitmedium vorlegen, dann muss der Medienrest sein Echo liefern: Vom „Spiegel“ über die „Zeit“ bis zur Website der Stadt Paderborn: Alle fanden die Demokratie in China ziemlich unzulänglich und den Herrn Wong echt gut. So sieht Medien-Vielfalt in Deutschland aus. Keinem der scheinbar Einfältigen mochte auffallen, dass Aktivisten aus den deutschen Friedens- oder Sozialbewegungen eine solch prominente Rolle nie zuteilwird. Auch wenn es um die Unterdrückung von Protesten durch die Polizei geht, die bei der Hongkong-Berichterstattung im Vordergrund steht, sind deutsche Medien eher verhalten: Weder beim G-20-Gipfel in Hamburg, noch bei den Aktionen rund um den Deutsche-Bahn-Wahnsinn namens Stuttgart21, bei denen es jede Menge Polizei-Brutalität gab, bekam einer der Aktivisten ein bedeutendes Interview in den öffentlich-rechtlichen Nachrichten. Auch auf den Auftritt eines Franzosen in gelber Weste, der die Ziele der Bewegung vor der Kamera erklären darf oder der wie Herr Wong einen Empfang beim Bundesaußenminister bekommt, warten Freunde der deutschen Demokratie bislang vergeblich.
Wo privat drauf steht, wird natürlich ordentlich Geld verdient. Ganz vorne in der Reihe der Medien-Geld-Verdiener steht die Witwe des Verlegers Axel Springer. Sie verfügt 2019 über 4,8 Milliarden Euro und ein gemischtes Zeitungs-Sender-Imperium. An zweiter und dritter Stelle stehen ebenfalls zwei Frauen: Die Geschäftsfrau Yvonne Bauer und ihre Familie, Eigentümer der „Bauer Media Group“ (z.B. Bravo), mit 3,5 Milliarden Euro und die Familie um Liz Mohn mit 3,35 Milliarden Euro, Anteilseigner des Gütersloher Medien-Monsters Bertelsmann (RTL, Gruner + Jahr). Höchst privat entstehen auch die Einnahmen der öffentlich-rechtlichen Sender aus Werbung und Sponsoring. Für die ARD waren das 323,9 Millionen Euro, das ZDF erzielte 293,6 Millionen. Natürlich platzieren die Werbeagenturen ihre TV-Spots im Umfeld hoher Einschaltquoten. Die werden gern mit Sportübertragungen oder anderen schlichten Sendungen erzielt. So nimmt die Wirtschaft einen unmittelbaren Einfluss auf das Programm. Das ist natürlich nichts gegen die Erträge von 7,858 Milliarden Euro durch die Einziehung des Rundfunkbeitrages. Für dessen gesetzlich verordnete Einziehung sorgen jene Politiker, die einerseits gern in den Rundfunkräten, den Kontrollgremien hocken, andererseits nicht selten über ein Geflecht von offenen Parteispenden und inoffiziellem Lobbyismus mit der Wirtschaft verbunden sind. So geht mittelbarer Einfluss.
Was bleibt den Demokratie-Aktivisten in Deutschland, wenn sie im Land wahrgenommen werden wollen? Sie sollten ihre Aktivitäten ins Ausland verlegen. Je weiter weg, desto eher dürften ihre Ziele in deutschen Medien widerspiegelt und von deutschen Politikern unterstützt werden. Hätten die Stuttgart-21-Gegner nicht besser in Schanghai demonstrieren sollen? Auch die Blockade einer Startbahn des Flughafens Kaliningrad-Chrabrowo hätte sicher eine starke öffentliche Resonanz in Deutschland. Jemand hätte Clara Tempel rechtzeitig einen Tipp geben sollen. Proteste gegen den weiteren Ausbau des Transrapid in Schanghai allerdings sind nicht empfehlenswert: An der Magnetschnellbahn waren die Bundesregierung und das Unternehmern Thyssen-Krupp beteiligt. Die tatsächlichen Proteste gegen die Trasse des Transrapid in China hatten dann damals auch in Deutschland kaum ein Echo.
Quelle: rationalgalerie.de
* Die Meinung des Autors muss nicht der der Redaktion entsprechen.
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