In Jassinowataja nahe Donezk befindet sich ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Eine Straße führt über Slawjansk nach Charkow. Die andere nach Lugansk. Diese Gegend wird massiv beschossen — entgegen aller Vereinbarungen.
Eindrücke
Die Kämpfer bringen uns direkt zu einem Beobachtungsposten. Wir laufen geduckt über kurze Abschnitte offenen Geländes und erhalten deutliche Anweisungen: „Den Kopf hinter den Sandsäcken halten — Scharfschützen!“ Man zeigt uns durch ein Periskop die gegenüberliegende Stellung des Gegners. Über ihr weht gut sichtbar die Flagge der ukrainischen Fallschirmjäger — eine Elitetruppe.

Die Kämpfer der DNR hingegen sehen äußerlich noch aus wie die Aufständischen von 2014. Improvisierte Ausrüstung in verschiedensten Formen und Farben — man nimmt was sich findet. Die Stellungen sind Handarbeit mit viel Einfallsreichtum. Aktuell wird geplant, diese winterfest zu machen. Auch das Verhalten entspricht keiner stocksteifen Armee mit übertriebenen Formalismen und wirkt mehr nach Volksmilizen — einfache Leute die sich entschieden haben ihre Heimat zu verteidigen.
Unbesiegbar
Die Kampfkraft der Volksmilizen ist dennoch, oder gerade deshalb, sehr hoch. In über zwei Jahren Krieg sind Kämpfer und Formationen entstanden, die auch mit der zahlenmäßigen Übermacht der Kiewer Streitkräfte nicht besiegt werden können. Es ist wenig überraschend, dass die Verteidiger des Donbass zu den effektivsten und vielseitigsten Einheiten weltweit zählen. Neben dem Partisanenkampf in Kleingruppen sind sie nun auch Experten für operative Einkreisungen ganzer Brigaden und punktgenauen Artillerieeinsatz.

Auch die Motivation und Entschlossenheit ist so hoch wie am ersten Tag. Vielleicht sogar höher. Denn viele sind schon lange gegangen. Geblieben sind alle die bis zum Ende die Stellungen halten werden. Auch wenn es seit über einem Jahr gilt einen psychologisch anstrengenden "politischen Krieg" zu führen. Das bedeutet klaren Befehl nicht auf Feindprovokationen zu reagieren und mit maximaler Disziplin den Waffenstillstand einzuhalten.

Verletzungen des Waffenstillstands
Auch hier erzählten uns die Frontkämpfer, dass es sich im Grunde um einen einseitigen Waffenstillstand ihrer Volksrepubliken handelt. Sie erleben regelmäßig und hautnah den Beschuss durch Mörser. Ein Kämpfer zeigte auf den kleinen Erdhügel hinter mir und sagte, dass dort vor einigen Wochen eine Mörsergranate eingeschlagen ist: "Ein Volltreffer, zum Glück hat sich niemand dort aufgehalten". Geschossen werde meist ab spätem Nachmittag, wenn die OSZE-Beobachter in ihren Hotels sitzen.

Gerade Scharfschützen seien besonders aktiv. Teilweise kriechen sie auf bis zu 50 Meter heran und feuern, kaum hörbar, aus ihren schallgedämpften Waffen. Letzten Monat gab es an diesem Abschnitt zwei Verwundete durch Scharfschützen.

Eisernes Schießverbot
Die Einheiten sind unzufrieden darüber, dass strikter Befehl herrscht, kein Feuer zu erwidern. Die politischen Hintergründe dieser Entscheidung sind weit weg von den Frontkämpfern. Für sie ist alles recht klar: Dort ist der Gegner. Er schießt auf dich. Kameraden werden verwundet oder getötet. Die Feindstellungen sind bekannt und man will sofort den Gefallen erwidern. Doch der Befehl ist klar. Was bei Beschuss bleibt, ist der Rückzug in Schutzräume: "Meist beobachtet einer dann mögliche Feindbewegungen".
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