Herr Dr. Friedrich, was sind die für Sie wichtigsten Erkenntnisse der vergangenen CSU-Klausurtagung im bayerischen Kloster Seeon?
Bei einer Klausurtagung geht es ja darum, zu Beginn des Jahres eine Kursbestimmung für die kommenden Monate vorzunehmen. Das haben wir getan. Wir haben die wichtigen Themen, die in diesem Jahr aus unserer Sicht relevant sind, vorskizziert. Das ist natürlich das Thema Europa. Wir haben mit dem britischen Wirtschaftsminister Greg Clark gesprochen, wir haben mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban gesprochen. Auch die Digitalisierung ist ein zentrales Thema, das unsere Welt verändern wird. Und wir haben natürlich auch über die Lehren aus der Bundestagswahl gesprochen: Die großen Themen Zuwanderung und viele soziale Fragen müssen gelöst werden. Das ist eine Aufgabe, vor der wir jetzt alle gemeinsam stehen.
Die Sondierung hat im Grunde keine Rolle gespielt. Es geht darum, dass wir unsere Positionen als CSU noch einmal klar formulieren, uns klar positionieren. Damit geht man dann in mögliche Koalitionsverhandlungen. Man muss sehen, was man davon durchsetzen kann und wo wir Zugeständnisse machen müssen.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatte jüngst eine „neue konservative Bürgerlichkeit“ gefordert. Von einer konservativen Revolution war sogar die Rede. In welche Richtung will sich die CSU also bewegen? Was ist das Revolutionäre?
Zunächst einmal ist es wichtig, dass wir eine Bestandsaufnahme der letzten 50 Jahre machen, über die Hinterlassenschaften der so genannten 68er-Generation. Wir stellen fest, dass diese 68er-Bewegung eine Erosion der Werte in unserer Gesellschaft hervorgerufen hat. Es gab in diesen vielen Jahren das Prinzip der Verleugnung der eigenen Identität, im Grunde auch eine Demontage der gesamten Gesellschaftsordnung. Und es wird Zeit, dass wir uns wieder mehr auf unsere Identität besinnen, auf die Fragen: Wer sind wir? Wo kommen wir her? Und was bedeutet für uns „Nation“? Das ist eine Strömung, die ja nicht nur in Deutschland greift, sondern die weltweit – von den USA bis Südeuropa – ihre Spuren hinterlässt. Ich glaube, dass es immer mehr Menschen gibt, die in der globalisierten Welt, in der es scheinbar keine Grenzen gibt, wieder nach Ordnung und der eigenen Identität fragen. Das hat Alexander Dobrinth gemeint. Diese Fragen können und müssen wir als CSU beantworten.
Nun ist die Definition des Wortes „konservativ“ an „traditionellen Werten festhaltend“ und „nicht modern“. Wie passt das mit den Herausforderungen von heute zusammen? Wenn wir zum Beispiel an die Digitalisierung, aber auch die Flüchtlingspolitik denken?
Es ist eine Voraussetzung für die Bewältigung der künftigen Herausforderungen, dass man an seinen Prinzipien und seinem Wertefundament festhält. Und dann kann man überhaupt erst auf diesem sicheren Fundament die Herausforderungen angehen. Nehmen wir das Beispiel Digitalisierung: Wir müssen jetzt keine neue Rechtsordnung erfinden, sondern wir müssen unsere Rechtsordnung in die digitale Zeit übersetzen. Das bedeutet aber auch, dass wir uns erst einmal wieder unseren eigenen Werten bewusst werden: Was hat uns über 60 Jahre stark und erfolgreich gemacht? Und da ist natürlich das christliche Wertefundament. Es geht um Freiheit, Verantwortung, um die Leistungsgesellschaft, aber auch um Solidarität. Das sind die Themen und die Prinzipien, mit denen wir in die neue Zeit und in die Zukunft gehen wollen.
Eine Nachfrage zur Flüchtlingspolitik: Auf der Klausurtagung war auch Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban eingeladen. Sollte dies ein innenpolitisches Zeichen in Richtung Schwesterpartei CDU sein?
Gibt es denn in der Flüchtlingspolitik einen Konsens zwischen Viktor Orban und der CSU?
Nun eins steht fest: Viktor Orban hat seine Aufgabe, die man ihm übertragen hat – nämlich die europäische Außengrenze zu schützen – gemeistert. Er hat europäisches Recht an der ungarischen Außengrenze durchgesetzt. Insofern sind wir ihm zu Dank verpflichtet. Er hat auch dafür gesorgt, dass in Ungarn verbleibende Flüchtlinge dort auch aufgenommen, gut behandelt und versorgt werden. Deshalb glaube ich, dass es mit Viktor Orban einen großen Konsens gibt. Übrigens auch, was die internationale Entwicklungshilfepolitik angeht. Ungarn ist zusammen mit christlichen Kirchen sehr engagiert, beispielsweise in Syrien Krankenhäuser, Schulen und Kirchen aufzubauen. Es gibt also sehr viele Gemeinsamkeiten zwischen der CSU und Viktor Orban.
Wie schwierig wird der Spagat zwischen CSU-Forderungen im Landtagswahlkampf und möglichen Einigungen mit der SPD auf Bundesebene? Die Genossen wollen keinen konservativen Kurs einschlagen…
Wir haben in Bayern ja mit einem klaren CSU-Kurs gezeigt, was passiert, wenn man diesem Kurs 60 Jahre lang folgt: Bayern ist heute die erfolgreichste Region in ganz Europa. Und auf diesem Fundament kann man auch im Wahlkampf aufbauen. Und wir müssen den Leuten einfach sagen: Schaut euch an, was in Bayern erreicht wurde. Und dann kann man einen Blick nach Berlin werfen, wo die Union eben nicht die absolute Mehrheit hat, da wird es entsprechend schwierig. Insofern kann man durchaus der Bevölkerung sagen, wo die Alternativen liegen: Entweder ein Durcheinander wie in Berlin – oder eine klare, erfolgreiche und zukunftsorientierte Linie mit der CSU in Bayern.
Interview: Marcel Joppa
Das Interview mit MdB Dr. Hans-Peter Friedrich zum Nachhören:
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