Der Direktor des Europa-Instituts Alexej Gromyko sagte dabei: „In der UdSSR der 70er Jahre, als mein Großvater Außenminister war, erreichte das Vertrauen ein so hohes Niveau, dass ein qualitativer Durchbruch in den Beziehungen zwischen Ost und West möglich wurde. Damals gab es oben mehr Vertrauen als unten, weil die Menschen, die keine Politiker bzw. Diplomaten waren, wenig miteinander kommunizierten.“
Fritz Pleitgen, ehemaliger Intendant des WDR und Vorsitzender der ARD musste zugeben: „Unsere Medien sind in der Tat nicht besonders nett auf Russland zu sprechen.“ Er würde auch nicht sagen, „wir seien die Guten, und der Schock sitzt im Kreml.“ Er empfiehlt, dass „wir unsere Positionen mal selbstkritisch beurteilen und nicht nur immer den Anderen Vorwürfe machen, sondern mal sich fragen, haben wir hier und da richtig gehandelt und wie könnte das vielleicht anders aussehen, wenn wir das Gegenteil gemacht hätten.“

Der langjährige Russland-Korrespondent der ARD sagte weiter: „Wenn wir Vertrauen herstellen wollen, kann ich doch nicht hingehen und sagen, du musst dich so benehmen, wie ich das gerne haben will.“ Er findet die Beziehung zwischen Russland und dem Westen und leider auch zwischen Russland und Deutschland „katastrophal und auf die Dauer nicht hinnehmbar.“ Als Journalist war er in Brüssel, Moskau und Washington tätig, hat also auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs gearbeitet, den Bau der Mauer und die Kuba-Krise miterlebt. „Man glaubte, jetzt beginnt der Dritte Weltkrieg. Aber so verheerend schlecht, wie es gegenwärtig aussieht, war es selten.“
Der Top-Journalist und Buchautor sei sehr besorgt, wenn er sehe, dass amerikanische und russische Düsenjäger auf einem Operationsfeld dicht nebeneinander schießen. „Dann frage ich mich, was passiert, wenn dort mal eine Katastrophe eintritt? Haben die Politiker das im Griff, dass dann nicht eine Eskalation einsetzt, die völlig außer Kontrolle gerät?“
Man müsse irgendwie zusammenkommen, so Pleitgen, wie wahnsinnig schwierig es auch sein mag. Er erinnert sich, „dass Berlin auch als ein Fall galt, der unlösbar war. Die vier Mächte sind aber zusammengekommen und haben eine Lösung gefunden, die den Menschen gut bekommen ist. Es gibt also Beispiele in der Vergangenheit. Und wir haben die Aufgabe, die Politiker aufzufordern. Es kann nicht sein, dass in Europa ein Krieg geführt wird, und wir sagen, wir sind so mit dem Brexit beschäftigt, wir können leider was anderes nicht machen.“
Er bedauert, dass man ein ganz schlechtes Kurzzeitgedächtnis habe. „Wir waren im Verhältnis zu Russland und dem Westen schon viel weiter - Abkommen zwischen Amerika und Russland und Russland mit der EU. Am 16. Juli 1990 war der beste Tag in der deutschen Geschichte. Der Russe Michail Gorbatschow hat den Weg für die deutsche Einheit freigegeben. Da konnte ich mir nicht vorstellen, dass 30 Jahre später deutsche Soldaten Manöver in Litauen, in der Nähe der russischen Grenze machen.“
Pleitgen erinnerte sich auch an die Charta von Paris für ein neues Europa 1990. Als Journalist hat er ihre Unterzeichnung im Palais de l’Élysée miterlebt. „Ich habe nie wieder eine internationale Veranstaltung erlebt, wo ein solcher Geist der Verständigung schwebte. Alle waren selig, die Ost-West-Konfrontation war vorbei. Und man hat drei wichtige Elemente für eine neue Friedensordnung genannt: gleiche Sicherheit für alle, also nicht nur für die Nato-Staaten, Wahrung der Menschenrechte und Demokratie. Das Erste war Moskau sehr wichtig gewesen und das Zweite war für den Westen wichtig. Es gab also Ansätze, die leider nicht genutzt worden sind.“

Besonders scharfe Auseinandersetzungen galten während der Podiumsdiskussion der Krimgeschichte. Für Fritz Pleitgen war es ein Völkerrechtsbruch und für Alexej Gromyko eine Verwirklichung der Selbstbestimmung des Volkes. Dabei verwies der deutsche Journalist auf die Vorgeschichte und bemerkte: „Bei den Assoziierungsverhandlungen mit der Ukraine wurde zu wenig bedacht, was das für Russland bedeutet. Der Sicherheitsexperte Ischinger hat einmal gesagt, wir haben den Fall Ukraine behandelt, als ginge es um Island. Und das war diese Leichtfertigkeit, die dann eben für die Politiker Situationen schaffte, die später nicht mehr zu beherrschen waren.“
Pleitgen stellte die Frage: „Machen wir alles wirklich so, dass wir so eine total reine Weste haben und auf der richtigen Seite sind? Jetzt haben wir ein nahezu völlig zerstörtes Verhältnis zu einer Atommacht, die auch noch unser Nachbar ist, nämlich Russland. Wenn ich mit meinen 81 Jahren im Westdeutschen Rundfunk wäre, würde ich alle auffordern, weckt mal doch diese Politiker auf, das ist so ein Thema, um das man sich kümmern muss.“
Ein anderer deutscher Teilnehmer der Diskussionsrunde, Friedrich Schmidt, politischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in Moskau, verglich die russische und die deutsche Reaktion auf die Ereignisse in der Ukraine: „Es wäre schön, wenn man sich anguckt, wieso im Westen diskutiert wird, was haben wir für Fehler gemacht, hätte man mit der Ukraine vielleicht gar nicht über das Assoziierungsabkommen verhandeln sollen. Wenn man in Moskau hingegen dieses Thema anspricht, dann kommt ein Wortschwall vor, der Westen hat dies und jenes, und dass man da irgendwie mal ein bisschen Selbstkritik vernimmt, das kommt eher nicht vor.“
Auf die Frage, wie man zueinander finden kann, sagte Prof. Gromyko: «Das Vertrauen wird durch militärtechnische Fragen wiederhergestellt, da die Zerstörung des Vertrauens in der Wahrnehmung der Sicherheit sowohl im Westen als auch im Osten besteht. Dort liegt der Kern der Lösung des Problems. Wenn wir die getroffenen Vereinbarungen einhalten und unsere Verpflichtungen erfüllen, wird die Welt sicherer.“
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