Während die USA zeitgleich neue Sanktionen gegen Russland verkündeten, ging es in Berlin bei der Gazprom-Konferenz im Hotel Adlon um den russisch-europäischen Gashandel. Themen waren eine Bestandsaufnahme des europäischen Gasmarktes, die Entwicklung des Gasexports aus Russland in die EU und die Rolle des Gases bei der Energiewende. Die Veranstaltung war mit etwa 200 führenden Vertretern russischer und europäischer Gaskonzerne, Experten und Politiker prominent besetzt.
Allerdings war nicht ein hochrangiger Vertreter der EU anwesend – nicht einmal ein „Praktikant“, wie der stellvertretende Vorstandsvorsitzende von Gazprom, Alexander Medwedew, süffisant anmerkte. Dies sei seltsam, da doch gerade auf so einer Konferenz der Austausch über die Zusammenarbeit des Unternehmens mit der EU umfassend möglich sei. Obwohl russisches Gas den Löwenanteil der europäischen Energieversorgung abdeckt, wird das Thema politisch meist an die kleine Glocke gehangen.Wladimir Grinin, der russische Botschafter in Deutschland, betonte die Schlüsselrolle, die Deutschland im Gashandel Russlands mit der „alten Welt“ spiele. Seit einem halben Jahrhundert beliefert Russland Deutschland zuverlässig mit Gas. Dies hätte entscheidend zum wirtschaftlichen Aufschwung sowohl in Deutschland als auch in Russland beigetragen. Grinin bemerkte:
„Es gibt in letzter Zeit in einigen europäischen Staaten und EU-Behörden die Überlegung, dass russisches Gas ein Bedrohungsfaktor für die politische Selbstständigkeit Europas sein könnte.“
Der Botschafter fragte rhetorisch, wer denn wohl Interesse daran hätte, die bewährte Gas-Verbindung Russland-Europa zu stören? Doch gewiss nicht Russland oder Europa selbst.
Europa bleibt Hauptmarkt für russisches Gas
Anatoli Janowski, stellvertretender Minister für Energiewirtschaft der Russischen Föderation, bezifferte den Anteil russischen Gases an der EU-Versorgung auf 31 Prozent. Insgesamt läge der Anteil der EU am Gasexport Russlands bei 74 Prozent. Damit bleibt Europa der Hauptmarkt. Janowski beklagte jedoch auch:
„Es gibt in letzter Zeit gehäuft Versuche, unsere Projekte zu behindern und unsere Wettbewerbsfähigkeit auf dem europäischen Markt zu senken.“
Russland verfolge die Taktik, verstärkt ausländische Partner in die Gasgewinnung einzubeziehen und durch Aktienanteile zu beteiligen. Ziel sei es, mit der EU einen gemeinsamen Markt von der Erschließung über die Gewinnung bis hin zur Verteilung zu schaffen. Die größten westlichen Gasfirmen sind, ähnlich wie im Ölgeschäft, bereits an Projekten in Russland beteiligt. So ist die Firma Shell daran beteiligt, das weltweit größte Gasfeld Sakhalin 2 zu erschießen.

Gazprom-Vorstandsvize Medwedew zeigte sich zufrieden mit der derzeitigen Stellung seiner Firma in Europa. 2016 wurde so viel Gas nach Europa exportiert wie nie zuvor: 179,3 Milliarden Kubikmeter. 2017 soll dieser Wert erneut übertroffen werden. Das Unternehmen biete das preiswerteste Gas in Europa an. Die EU will allerdings trotzdem einen Teil der durch den Wegfall von Gas aus den Niederlanden und Norwegen entstehenden Versorgungslücke durch Flüssiggas aus Übersee schließen, obwohl dies teurer ist. Medwedew meinte hierzu:
„Langfristig gesehen wird der Gasimport Europas steigen. Nord Stream wäre hier quasi ein Schutzring zur Versorgungssicherheit Europas. Es wird sich zeigen, ob man diese Versorgungslücke durch amerikanisches Flüssiggas schließen kann.“
Die Zahlen sprechen für sich. Der Export von Gazprom in die EU wächst. Die Wirtschaft setze bereits nicht nur weiter auf russisches Gas, sondern baut die Zusammenarbeit noch aus. Jetzt sollte, so Medwedew, dies auch die Politik einsehen und keine Steine in den Weg legen.
Was hält die Gaswirtschaft von erneuerbaren Energien?
Thilo Wieland, Vorstandsmitglied der Firma Wintershall, die Nord Stream 2 mitfinanziert, betonte, dass Gas kein Widerspruch zum Klimaschutz sei. Im Gegenteil. Die Energiewende sei in Bezug auf Gas bisher gründlich schief gelaufen. Während zwar seit 2009 immer höhere Abgaben in erneuerbare Energien investiert wurden, sei die CO2-Emmission in Deutschland bisher gleich geblieben. Das Primärziel Klimaschutz sei also bisher verfehlt worden. Nur die Stromrechnung ist inzwischen höher. Ein Grundfehler sei es gewesen, die Kohlekraftwerke wieder hochzufahren, anstatt auf Gas umzustellen. So sei die CO2-Bilanz, die durch die erneuerbaren Energieträger verbessert wurde, durch Kohle wieder verschlechtert worden.
Seyed Mohammad Husseein Adeli, Generalsekretär des Forums Gas exportierender Länder, betonte den Stellenwert des Gases als Übergang zu den erneuerbaren Energien. Dabei ist beim Gas das größte Wachstum und die größte Nachfrage von allen Energieträgern zu verzeichnen. Bis 2040 wird weltweit mit einem Anstieg des Gasbedarfs um 50 Prozent und in Europa um 28 Prozent gerechnet.
Dabei habe der Rohstoff im Vergleich mit Kohle und Öl die beste CO2-Bilanz. Es gehe außerdem in dieser Übergangszeit nur, indem die verschiedenen Energieträger gemischt werden.

Neben Nord Stream 2, der neuen Ostsee-Pipeline, die bereits 2019 ans Netz gehen soll, baut Gazprom sein Netz von Gasspeichern in Europa aus. Dies ist wichtig, um jederzeit genug Gas vor Ort zu haben, um Versorgungsengpässe zu vermeiden. Es gibt auch Gasspeicher in Deutschland, die von Russland und Deutschland gemeinsam betrieben werden, wie der vor wenigen Wochen eröffnete Speicher Katerina UGS in der Nähe von Leipzig, der von Gazprom und dem deutschen Betreiber VNG gemeinsam finanziert wurde. Ulf Heitmüller, Vorstandsvorsitzender von VNG, verwies auf der Konferenz auf die fast 45jährige Zusammenarbeit mit Russland.
Sputnik hatte exklusiv recherchiert, dass im Westen Deutschlands aktuell eine Pipeline zur Versorgung mit Flüssiggas aus Übersee gebaut wird, obwohl ursprünglich eine Anbindung an Nord Stream geplant war. Auf Nachfrage erklärte Gazprom-Vertreter Medwedew: „Wir sind in Kontakt mit vielen Gastransportunternehmen in Deutschland und Europa. Das Problem mit Gas mit niedrigem Brennwert ist ja ein paneuropäisches. Um diese Versorgungslücke in Europa zu füllen, um 100 Milliarden Kubikmeter Gas zusätzlich zu liefern, müsste Gazprom nicht einmal in neue Lagerstätten investieren, wir haben diese Rohstoffkapazitäten. Und auch die Transportkapazität für dieses zusätzliche Gas haben wir bei der Umsetzung von Nord Stream 2 bereits mit eingeplant. Was den Weitertransport in Europa betrifft, da gibt es Regeln der EU, die besagen, dass ein Gaserzeuger keine eigene Gastransportinfrastruktur in Europa unterhalten darf. Das Gas weiter zu transportieren Richtung Westen liegt also in der Hand der entsprechenden Betreiber. Wir können auf jeden Fall so viel Gas liefern, wie Europa benötigt.“
Armin Siebert
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